Haushaltsrede 2022

Rede des Fraktionsvorsitzenden Dietmar Eisele für die Ratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen im Rat der Stadt Ahaus zur Verabschiedung des Haushalts 2022 am 29. März 2022 in der Stadthalle Ahaus

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Voß,
sehr geehrte Herren des Verwaltungsvorstands,
liebe AhauserInnen hier im Saal und an den Bildschirmen,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Bekämpfung der Corona Pandemie hat uns allen in den zurückliegenden zwei Jahren viel abverlangt. Und es ist kein Ende in Sicht: Die Inzidenzen schießen aktuell durch die Decke und die Pandemie greift starker denn je um sich. Zugleich fallen unverständlicherweise nahezu alle Schutzmaßnahmen. Die Pandemie ist trotz aller Brisanz aus dem Fokus gerückt.

Denn durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg von Russlands Präsident Vladimir Putin auf die Ukraine in den Morgenstunden des 24. Februar 2022 hat sich Europa dramatisch verändert. Das ist ein Krieg gegen die Freiheit nicht nur der Ukraine, sondern gegen uns alle. Unsere Werteordnung und unseren demokratischen, selbstbestimmten Weg will die autokratische Führung Russlands von der Landkarte tilgen. Die Ukraine ist hier nur ein weiteres Opfer des Machtstrebens ihres Diktators Putin.

In Ahaus haben sich, ebenso wie im gesamten Kreis Borken und darüber hinaus die Menschen zu schneller Hilfe entschlossen und diese mit der Unterstützung vieler ehrenamtlicher HelferInnen, der Politik und der Verwaltung hervorragend umgesetzt. Die Solidarität ist riesengroß, die Empathie, für die erlittenen Schrecken des Krieges Ausgleich zu schaffen ist unübertroffen. Dafür danke ich ihnen im Namen der Grünen ausdrücklich. In unserer Stadt sind Flüchtlinge willkommen, ohne Unterschied von Hautfarbe, Herkunft und Religion.

Umso unverständlicher ist es, dass die Bürgermeisterin sich so schwer getan hat, am Sonntag zur großen Solidaritätskundgebung des Bündnisses „Ahaus bleibt bunt“ die ukrainische Nationalflagge am Rathaus aufzuhängen. Während vor dem Kreishaus seit Wochen die ukrainische Flagge als Zeichen der Solidarität weht, wollte die erste Bürgerin der Stadt davon nichts wissen. Das ist beschämend und konterkariert nicht nur den Einsatz der ehrenamtlichen HelferInnen, sondern auch den von vielen MitarbeiterInnen in der Verwaltung. Ich bin an dieser Stelle froh und dankbar, dass alle Fraktionen zum Erwerb einer ukrainischen Nationalflagge beigetragen haben und wir das Versäumnis der Bürgermeisterin heilen konnten. Denn selbstverständlich ist die Botschaft der Stadt an die Menschen in der Ukraine: Wir stehen an Eurer Seite, Ihr sind nicht allein!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

lassen sie uns auf die Eckdaten unseres Haushalts blicken. Mit einem Investitionsstau von rund 28 Millionen Euro aus zurückliegenden Jahren und den geplanten Auszahlungen von knapp 26 Millionen Euro stehen insgesamt 54 Millionen Euro städtische Mittel für Investitionen zur Verfügung. Angesichts des Umsetzungsdefizits aus der Vergangenheit muss man sagen: Realistisch betrachtet ist dies auch in diesem Jahr nicht zu bewältigen. Wir müssen die Probleme zum Anlass nehmen, gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Ziel muss es sein, beschlossene Maßnahmen auch im jeweiligen Haushaltsjahr umzusetzen.

Dass gewaltige Aufgaben vor uns liegen ist unstrittig. Neben der Ertüchtigung unserer Schulen und Kindergärten, der Sicherung der Infrastruktur und vielen weiteren, innovativen Verbesserungen bleibt festzustellen: Ahaus befindet sich in einem Umbruch.

Die von der Bundesregierung ausgerufene Zeitenwende wird von unserer Fraktion voll und ganz unterstützt. Zum zügigen Ausbau von Windenergieanlagen in unserem Stadtgebiet braucht es, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch von ihren Fraktionen mehr Mut. An Ahauserinnen und Ahausern, die in erneuerbare Energien investieren wollen, mangelt es nicht. Einzig der politische Wille, die Energiewende jetzt mit Volldampf umzusetzen fehlt in der Verwaltung und auch bei einigen Ratsfraktionen noch. Wenn die Landesregierung NRW glaubt, dass mit der derzeitigen Abstandsregel von 1000 Metern mehr Anlagen umzusetzen sind, täuscht sie die Menschen, die jetzt von der Politik einen klaren Plan zum Ausstieg aus der fossilen Energieerzeugung erwarten.

Wir, liebe Kolleginnen und Kollegen stehen gemeinsam vielen weiteren Ahauserinnen und Ahausern bereit, die Energieautarkie in Ahaus umzusetzen. Die hierzu von der Verwaltung projektierten 800 KWp Solarenergieanlagen auf städtischen Gebäuden sind ein erster Schritt. Daneben müssen wir zusätzliche Anreize schaffen, dass überall wo es geht private wie auch gewerbliche Dachflächen zügig mit Solarpaneelen ausgerüstet werden.

Der hierzu von der Politik geschaffene Klimafond mit 150.000 Euro stellt einen ersten Schritt da. Ich glaube uns allen ist klar, dass wir in Klimaschutz und Klimafolgenanpassung noch weitaus mehr investieren müssen. Das ist gut angelegtes Geld in die Zukunft unserer Stadt im Sinne der nachfolgenden Generationen. Hierzu gehört ein besserer, bedarfsgerechter städtischer ÖPNV, Mobilitätsstationen in allen Ortsteilen, eine

flächendeckende Ladeinfrastruktur für E-Autos und nicht zuletzt der zügige Ausbau der beschlossenen Radwegeinfrastruktur.

Als Grüne Fraktion sehen wir dazu beim Thema Wärme, das für die meisten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist, eine Herkulesaufgabe vor uns. Seit dem Jahr 2000 sind 21 Jahre vergangen. Wie viel Geld und Treibhausgase hat Ahaus im Wärmebereich seit damals eingespart? Die Antwort ist einfach: (fast) nichts. Wir produzieren nahezu genauso viele Emissionen wie vor 21 Jahren und wir geben sogar noch mehr Geld dafür aus. Bis 2040 haben wir noch 19 Jahre Zeit. Zeit, die wir gut nutzen müssen. Dabei dürfen wir nicht nur an die städtischen Gebäude denken. Tausende Häuser in Ahaus mit alten Gas- und Ölheizungen werden die Energiewende ohne staatliche Förderprogramme, nicht schaffen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Der zeitnahe Umbau der Wallstraße und eine schnelle Novellierung der STVO zu mehr Freizügigkeit für die Städte zur Ausweisung von Tempo 30 Zonen sind weitere Zukunftsaufgaben, die unsere Innenstadt nicht nur attraktiver, sondern auch sicherer machen. Ich bin an dieser Stelle sehr froh, dass sie liebe Kolleginnen und Kollegen unserem Antrag hier einstimmig gefolgt sind.

Auch die angedachte Teilnahme am Bundesprogramm „Biologische Vielfalt“ haben sie einstimmig unterstützt. Das Programm eines ökologischen Grünflächenmanagement kann uns helfen, den Anteil an naturnahen, arten- und strukturreichen Grün- und Freiflächen im Siedlungsbereich zu erhöhen.

Festzustellen bleibt mir an dieser Stelle, dass alle Fraktionen und große Teile der Verwaltung die Zeichen der Zeit erkannt haben und sich mit uns gemeinsam auf den Weg machen wollen Ahaus zukunftssicher umzugestalten. Aber liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wird nicht ohne weitere Investitionen und Förderprogramme machbar sein.

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,

in den zurückliegenden Jahren die Verwaltung jeweils mit einem strukturell unausgeglichenen Haushalt geplant und am Jahresende feststellen müssen, dass die Planungen sehr konservativ waren und von den Realitäten eingeholt wurden. Aus dem geplanten Minus wurde jeweils ein fettes Plus. Ein Umstand, der grundsätzlich Anlass zur Freude gibt. So weisen wir nun für das Haushaltsjahr 2020 ein Plus von rund 4,5 Millionen Euro aus und für 2021 werden gute 10 Millionen Euro prognostiziert. Daraus ergeben sich Handlungsmöglichkeiten für die Stadt.

Die Grüne Fraktion sieht ebenso wie Sie die Risiken der vor uns liegenden schwierigen Zeiten, aber wir sehen auch die Versäumnisse der zurückliegenden Jahre. Dies betrifft insbesondere die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in unserer Stadt. Mittlerweile sind Preise von 10 Euro und mehr pro Quadratmeter nicht mehr die Ausnahme, sondern werden die Regel. Die Altbestände in der Innenstadt und in den Ortsteilen werden nicht renoviert, sondern abgerissen, um Platz für hochpreisige Miet- oder Eigentumswohnungen zu schaffen. Eine Entwicklung, die hier alle zwar beklagen, aber der wir im Prinzip wenig entgegenstellen.

Aus diesem Grund schlagen wir Ihnen vor, einen Sonderfonds „Sozialer und bezahlbarer Wohnungsbau“ aufzulegen. Dieser Sonderfonds wird zunächst mit 1 Million Euro ausgestattet, die mit einem Sperrvermerk versehen sind. Die Verwaltung wird beauftragt, zusammen mit der Politik und einer externen Beratung eine Strategie zu entwickeln, die Ahaus in die Lage versetzt, zukünftig ausreichenden bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

Und wir können auch von anderen lernen: So hat beispielsweise Heidelberg hervorragende Erfahrungen mit genossenschaftlichem Wohnen und alternativen Wohnprojekten gemacht. Durch bürgerschaftliches Engagement haben sich Einwohner zusammengeschlossen und machen durch neue Wohnformen, wie z. B. das Mietsyndikat, dauerhaft preiswertes Wohnen möglich. Wichtig ist uns hier, als Stadt auch neue Wege gehen. Entweder mit geeigneten Partnern wie Wohnungsbaugesellschaften oder auch durch unsere eigenen Bürger, die solche Projekte mitfinanzieren könnten etwa als Kreditgeber oder im Rahmen von Bürgergenossenschaften.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Zukunft ist ungewisser denn je. Wir wissen heute nicht sicher, mit welchen Rahmenparametern wir zukünftig arbeiten werden. Aber wir wissen, dass unsere Art zu leben, unsere Wertegesellschaft, unsere Solidarität und unser Mitgefühl immer neuer Anstrengungen bedarf. Und es bedarf der politischen Vielfalt in allen Gremien, um diesen Ansprüchen gerecht zu werden.

Die heute zu beratende Fusion der Stadtwerke Ahaus mit der SVS ist mit einem Blick auf die Entwicklung des Energie Marktes der richtige Schritt in die Zukunft. Daran hat unsere Fraktion keine Zweifel. Unsere Fraktionen in Ahaus, Stadtlohn und Vreden wollen diesen Weg auch in den zuständigen Gremien weiter begleiten. Mit innovativen Ideen, Herzblut und Sachverstand. Und ich bin mir sicher, dass das auch die SPD, die FDP, die UWG und alle anderen Fraktionen in den beteiligten Städten wollen.

Die jetzt von den Bürgermeistern vorgelegten Vorschläge werden diesem Anspruch nicht gerecht. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Bürgermeister im Elfenbeinturm Pläne geschmiedet haben unter Missachtung der politischen Vielfalt der Region.

Die Stadtwerke sind Unternehmen, die den Bürgerinnen und Bürgern unserer Region gehören. Daher ist es legitim und notwendig, die Interessenvertreter der Bürgerschaft auch in der Breite des politischen Spektrums zu beteiligen. Dabei muss nicht jede Fraktion aus jeder Stadt eine VertreterIn am Tisch haben, aber zumindest ein Vertreter aus einer der Städte muss für jede Fraktion möglich sein. Ein solches minimales Bekenntnis zu politischer Vielfalt ist zwingend notwendig! Lassen sie uns deshalb heute bei den Beratungen ein klares Signal an die Verhandlungskommission senden und unterstützen sie mit ihrem Votum unseren Vorschlag zur zukünftigen Besetzung der Gremien.

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Grüne Fraktion wird dem Haushalt 2022 zustimmen und ich möchte es an dieser Stelle nicht versäumen all denjenigen zu danken, die mit uns das Gespräch gesucht haben und die verschiedenen Themenfelder in einem intensiven Austausch mit uns diskutiert haben. Ein Dank geht auch an alle anderen, die sich tagtäglich dafür einsetzen unsere Stadt lebenswerter zu machen. Sei es im Beruf oder im Ehrenamt, sie alle sorgen dafür, dass Ahaus eine liebenswerte Stadt ist und bleibt.

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!

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